Neues Feature für Seller: Auf Amazon Kundenbewertungen reagieren

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Stephan Bruns
Stephan Bruns

Amazon hatte die Möglichkeit, auf Amazon Kundenrezensionen mit einem Kommentar zu antworten am 15.12.2020 von der Plattform entfernt (mehr dazu). Bisher gab es keine Funktion auf eine negative Produktbewertung eines/einer Kunden*Kundin zu reagieren.

Zum Hintergrund: Amazon Rezensent*innen rezensieren nur sehr selten mit Klarnamen, weshalb es für Seller fast unmöglich ist, die wahre Identität eines/einer Rezensent*in zu erkennen. Somit kann auf eine negative Bewertung nur in seltensten Fällen reagiert werden.

Amazon hatte damals versprochen ein neues Feature bereitzustellen, welches auf dem EU Brand Owner Summit im August 2021 auch kurz vorgestellt wurde (alle Neuigkeiten des Summits im Überblick). Seit einigen Tagen nun können Seller Rezensenten\Rezensentinnen negativer Bewertungen über Seller Central kontaktieren.

Kundenrezensionen auf Amazon

Neues Feature erlaubt Kontaktaufnahme mit Rezensenten

Mit der neuen Funktion werden alle „verifizierte“ Text-Rezensionen des angewählten Marktplatzes in Seller Central entsprechend angezeigt. Für Bewertungen unterhalb von 3 Sternen (also 1, 2 und 3-Sterne-Rezensionen) können Seller nun Kontakt mit dem/der Rezensent*in aufnehmen. Dabei bietet Amazon zwei Möglichkeiten der Kontaktaufnahme:

Kostenloser Ersatzartikel oder Kontaktaufnahme

Seller haben die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten der Kontaktaufnahme: Entweder kann dem/der Kund*in eine Nachricht mit einer „Erstattung aus Kulanz“ zugesendet werden. Amazon formuliert diese Nachricht im Namen des/der Verkäufer*in:

Kontaktaufnahme mit Käufer*in: Erstattung aus Kulanz
Nachricht: Erstattung aus Kulanz

Der Inhalt kann nicht editiert werden und lautet:

Hallo XY, Verkäufer XYZ hat eine Nachricht für Sie. Nachricht vom Verkäufer XYZ: Wenn Sie eine Rückerstattung des vollständigen Betrags wünschen, antworten Sie bitte mit „Vollständige Rückerstattung“. Wir hoffen, dass Sie uns eine weitere Chance geben. Vielen Dank. Freundliche Grüße XYZ

Bitte beachten Sie, dass es Verkäufern nicht gestattet ist, nach den persönlichen Daten eines Kunden zu fragen, einschließlich E-Mail oder Telefonnummer. Es wird nicht erwartet, dass Sie Ihre Bewertung aufgrund dieser Kontaktaufnahme oder einer möglichen Lösung ändern. Sie können dem Verkäufer XYZ eine anonyme Nachricht senden, die nicht Ihre echte E-Mail-Adresse enthält, indem Sie auf diese E-Mail antworten. Wenn Sie eine unangemessene Nachricht vom Verkäufer erhalten haben, melden Sie dies bitte. Wir hoffen, Sie bald wiederzusehen.

Der/die Kund*in muss also eine entsprechende Nachricht mit „Vollständige Rückerstattung“ zurücksenden um eine kostenfreie Rückerstattung zu erhalten. Diese Rückerstattung führt der/die Verkäufer*in dann manuell aus. Diese Antwort-Nachricht soll nach den Angaben von Amazon anonym sein, also nicht die E-Mailadresse des/der Kund*in beinhalten.

Die zweite Möglichkeit ist die reine Kontaktaufnahme mit dem/der Kund*in:

Kontaktaufnahme mit Verkäufer: Absprache mit Kunden
Nachricht: Kontakt mit dem Kundenservice aufnahmen

Der Inhalt kann nicht editiert werden und lautet:

Nachricht vom Verkäufer XYZ: Sehr geehrte(r) XY, Vielen Dank für den Kauf von unserer Marke auf Amazon.com. Am 5. Februar 2022 haben Sie die folgende Bewertung für unser Produkt abgegeben: [Text der Rezension] Wir möchten gerne auf Ihre Probleme und Bedenken eingehen. Ihr Unternehmen ist uns wichtig. Kontaktieren Sie uns daher bitte, damit wir eine Lösung für Ihre Probleme finden können. Freundliche Grüße XYZ

Hier muss der/die Kund*in also ebenfalls Kontakt mit dem Seller aufnehmen, um weitere Schritte einzuleiten. In beiden Fällen kann der weitere Ablauf individuell mit dem/der Kund*in per Nachricht ausgehandelt werden.

Das neue Feature finden Seller im Bereich „Marken“, wenn sie ihre Marke in der Amazon Brand Registry erfolgreich eingetragen haben und dann unter dem Reiter „Kundenbewertungen“.

Neue Funktion enttäuscht bei ersten Tests

Was auf den ersten Blick nach einer guten Möglichkeit scheint, Kund*innen mit negativem Feedback über Amazon zu kontaktieren, zeigt in Details jedoch Schwächen.

Viele Käufer*innen können nicht kontaktiert werden

In unseren Tests versuchten wir mit Kund*innen negativer Rezensionen in Kontakt zu treten. Jedoch wurden wir in zahlreichen Fällen schon direkt nach dem Klick auf den „Kontakt mit Käufer Aufnehmen“-Button enttäuscht.

Fehlerhafte Kontaktaufnahme mit Kunden
Amazon-Rezensent*in hat Benachrichtigungen abgelehnt

Denn Kund*innen, die sich von allen Benachrichtigungen von Amazon abgemeldet haben, also per Opt-Out jeglicher Benachrichtigung von Verkäufer*innen widersprochen haben, können auch im Falle der Rezensionen keine Nachrichten erhalten. In unseren Tests hatte der Großteil der Rezensent*innen diese Funktion genutzt, so dass unsere Nachricht gar nicht erst verschickt werden konnte.

Kaum Antworten eines/einer Rezensent*in

Die von Amazon versendete Nachricht erreicht den/die Rezensent*in so wie jede andere Mitteilung eines/einer Verkäufer*in: Per E-Mail kommt die Nachricht an die von Kund*innen hinterlegte E-Mail-Adresse und landet zu dem im Käuferpostfach bei Amazon. Es ist bekannt, dass solche E-Mails meist ungelesen bleiben, da sie in der Fülle der von Amazon versandeten Nachrichten zu einer Bestellung untergehen (daher auch das häufige Abbestellen von Nachrichten von Amazon durch Käufer*innen).

In unseren Tests bekamen wir von nur einem/einer der Rezensent*innen eine Antwort. Also auch die Option auf ein kostenfreies Austauschprodukt wurde nicht angenommen. Immerhin ein*e Rezensent*in forderte eine halbe Rückerstattung an.

Nachricht an einen Amazon Amazon-Rezensenten
Nachricht an eine*n Amazon-Rezensent

Es handelt sich offenbar nur um eine Textnachricht, die über den herkömmlichen Nachrichtenweg verschickt wird. Was im Umkehrschluss bedeutet, dass Seller diese Nachricht auch im Postfach in Seller Central finden und damit (zumindest Stand heute) auch alle Informationen zu dem/der Kund*in, der/die den Artikel gekauft und die entsprechende Rezension abgegeben hat (sofern die Bestellung nicht zu weit in der Vergangenheit liegt).

Erstaunlich: Die Bestellnummer und anonymisierte E-Mail-Adresse des/der Kunden*Kundin bleibt aber auch nach der Antwort des/der Rezensenten*Rezensentin noch erhalten. Es kann also (Stand heute) ein Zusammenhang zwischen Rezensent*in und Bestellung hergeleitet werden (siehe Abbildung oben und Rezension des/der Kund*in unter). Ob dies Absicht von Amazon oder ein Versehen ist, scheint nicht klar. Oben schreibt Amazon an den/die Rezensent*in, dass die Antwort des/der Käufer*in anonym wäre. Auch sind in der Nachrichtenvorschau Bestellinformation zensiert. All das deutet darauf hin, dass Amazon die Identität der Rezensent*innen eigentlich nicht zeigen möchte.

Neagtive Rezension auf Amazon

Fazit: Nicht das erhoffte Feature, dennoch besser als nichts

Seller sollten die neue Möglichkeit auf negative Kundenrezensionen zu reagieren, nutzen. Wenn auch die erhoffen Möglichkeiten der Kontaktaufnahme leider etwas hinter den Erwartungen bleiben, so ist dies wenigstens der Versuch, mit Kund*innen in Kontakt zu treten. Besser wäre eine Funktion, die dem/der Kund*in eindeutig zeigt, dass er/sie eine Nachricht des/der Verkäufer*in zu seiner/ihrer negativen Rezension erhalten hat. Denn eins ist klar: Wäre sich ein*e Rezensent*in der Möglichkeit bewusst, ein kostenfreies Produkt aufgrund einer negativen Rezension zu erhalten, würden diese Möglichkeit wohl viele Rezensent*innen nutzen wollen.

Amazon hat noch einmal deutlich gemacht, dass die neue Kontaktmöglichkeit nicht missbraucht werden darf, um Rezensent*innen hinsichtlich ihrer Rezension zu beeinflussen. Die Absicht diese Funktion für Seller zu nutzen, liegt auf der Hand: Wenn unzufriedene Kund*innen ein kostenfreies Austausch-Produkt erhalten, werden diese vielleicht ihre Rezension überdenken und zum Positiven abändern. Zudem könnten Verkäufer*innen so wichtiges Feedback zu einem Mangel am Produkt sammeln oder etwaige Missverständnisse zu einem Produkt ausräumen. Vielleicht wird Amazon an diesem neuen Tool zukünftig auch noch weiterentwickeln, so dass Kund*innen dann besser verstehen, dass der/die Verkäufer*in gerne eine Kontaktaufnahme erbittet.

Wenn die Bestelldaten der kontaktierten Rezensent*innen wirklich im System erhalten blieben, wäre es zudem denkbar, jedem/jeder Rezensent*in ein Ersatzprodukt zuzusenden, ohne auf die Antwort des/der Kund*in warten zu müssen. Auch das könnte eine Chance für Seller bedeuten.

Inwieweit es die Funktion auch für Vendoren geben wird, war zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels unklar. Hier müsste die Erstattung ja automatisch erfolgen, da Vendoren kein Zugriff auf Kundennachrichten haben, was bisher nicht vorgesehen scheint.

Update: 1.2024:

Leider gibt es die Funktion nach wie vor nicht für Vendoren. Dies wäre auch schwer umzusetzen. Hier müsste die Erstattung ja automatisch erfolgen, da Vendoren kein Zugriff auf Kundennachrichten haben, was bisher nicht vorgesehen scheint.

Nachdem die neue Funktion nur einige Zeit in Umlauf ist, zeigt sich eine gewisse Ernüchterung bei Sellern. Die Kontaktaufnahme mit den Rezensenten zeigt sich als äußerst holprig. Denke man dabei mal an sich selbst: Wer nimmt die vielen Emails von Amazon überhaupt noch wahr? So bleibt es eine sehr einseitige Kommunikation, da die meisten Kund:innen nicht auf den Kontakt reagieren.

Wünschenswert wäre eine Funktion, die es ermöglicht, bevor Kund:innen überhaupt eine negative Rezension veröffentlichen, Kontakt mit dem Verkäufer aufnehmen zu können. So könnte der Seller das Problem noch vor Veröffentlichung lösen. Letztlich ist eine negative Rezension ja immer auch ein gewisser Hilfeschrei des Kunden, der gerne mehr Support hätte. So entstehen weiterhin viele Rezensionen frustierter Kunden auf Amazon.

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