Amazon ändert Kapazitätsgrenzen für FBA
Es ist noch früh im Jahr 2023 und schon kommt Amazon mit einem großen Update im Bereich Versand durch Amazon (FBA) daher.
Viele Seller standen in Zeiten von extremen Nachfrageverschiebungen vor der Herausforderung, ausreichend Lagerbestand bei Amazon einlagern zu dürfen. Amazon begrenzte durch Lagerbestandsmaxima ausgehend vom Lagerbestandsindex (LBI) und zusätzlich durch eine Aufffüllbeschränkung, wie viel Ware bei Amazon eingelagert werden durfte.
Was ist neu: Kapazitätsgrenze ersetzt Auffüllbeschränkung und Lagerbestandsmaximum
Nach einer Pilotphase in den USA kommt nun zum 1. März eine große Veränderung auf FBA-Seller zu. Von da an verschmelzen die für Seller, welche bei Amazon Ware lagern, wichtigen Kennzahlen Auffüllbeschränkung und Lagerbestandsmaxima zu einer neuen Kapazitätsgrenze.
Die Berechnung der Kapazitätsgrenzen für Versand durch Amazon erfolgt zukünftig nur noch nach Volumen anstatt nach Einheiten. Wie schon bei der Auffüllbeschränkung wurde hier im Gegensatz zum Lagervolumen bereits mit Einheiten gerechnet. (Einheiten sollen weiterhin sichtbar bleiben, die aber nun anhand des Volumens berechnen werden). Dies ist notwendig, um zukünftig ein Bieterverfahren für zusätzlich gewährte Lagerflächen in Kubikmeter einzuführen.
Die neue Kapazitätsgrenze für FBA wird weiterhin vom LBI und weiteren Faktoren wie Umsatzprognose, Anlieferzeit und Kapazität der Amazon Logistikzentren beeinflusst. Für jeden kommenden Monat werden die zukünftigen Kapazitätsgrenzen am Ende des Vormonats per E-Mail bekanntgegeben.
Mehr Lagerfläche bei Amazon gegen Gebühr reservieren
Wenn Sie zusätzliche Kapazität brauchen, z.B. weil Sie von einer Beschränkung aufgrund eines schlechten LBI betroffen sind oder ein neues Produkt launchen wollen, bei dem Sie mit einer sehr hohen Nachfrage rechnen, können Sie zukünftig zusätzliche Lagerfläche beantragen.
Hierfür hat sich Amazon ein komplexes System ausgedacht: Sie geben ein Gebot für die zusätzliche reservierte Fläche ab und bestimmen so einen maximalen Preis pro Kubikmeter, den Sie bereit sind zu zahlen, die sogenannte Reservierungsgebühr. Hier kommt das Gebotsverfahren zum Tragen, was die Gebote verschiedener Seller zusammenbringt und den tatsächlich zu zahlenden Preis pro Kubikmeter bestimmen wird. Amazon berechnet Ihnen (ganz ähnlich wie beim CPC bei Amazon Advertising nur, dass mehrere Anbieter den Zuschlag erhalten können), aber immer das geringste Gebot der verfügbaren Fläche.
So können Sie bis zu 20 % des ursprünglichen Maximums oder maximal 50 zusätzliche Kubikmeter, je nachdem, welcher Wert höher ist, an zusätzlicher Lagerfläche beantragen. Die Freigabe erfolgt so: Amazon prüft seine verfügbaren Kapazitäten. Ist Kapazität verfügbar, werden ausstehende Anträge beginnend bei der höchsten Reservierungsgebühr genehmigt. Zahlen müssen Seller hierbei nicht im Voraus, sondern erst nach Verrechnung möglicher Gutschriften (siehe nächster Absatz).
Die neue Lagerkapazität wird auch bereits für den Vormonat der eigentlichen Kapazitätsphase, während der Anlieferung gewährt. Dazu ein Beispiel: Wenn vom 1. bis zum 30. April eine Kapazitätserhöhung von 5 Kubikmetern und vom 1. bis 31. Mai eine Kapazitätserhöhung von 10 Kubikmetern genehmigt wurde, erhalten Sie von 1. bis 30. April eine Zusatzkapazität von 10 Kubikmetern.
Amazon schreibt hierzu:
[...] Unsere Kriterien für die Gewährung von Anträgen sind vollkommen objektiv. Wir beginnen mit der höchsten Reservierungsgebühr und fahren in dieser Reihenfolge fort, bis die gesamte zugewiesene Kapazität gewährt wurde. Die zugewiesene Kapazität steht Ihnen für den gesamten angegebenen Zeitraum zur Verfügung. Diese Zusatzkapazität kann Ihnen auch bis zu einem Monat vor dem gewünschten Zeitraum zur Verfügung stehen. So können Sie Sendungen erstellen, um Lagerbestand an Amazon zu senden, damit dieser in dem von Ihnen gewünschten Zeitraum in unserem Netzwerk verfügbar sein kann. Anmerkung: Ihre Gebühr ist möglicherweise niedriger, als Sie in Ihrem Antrag angegeben haben. Für alle Verkäufer, deren Anträge in derselben Woche bewilligt werden, gilt die niedrigste bewilligte Reservierungsgebühr, unabhängig von der ursprünglich von Ihnen angegebenen Reservierungsgebühr.
Gutschriften erhalten, wenn die zusätzliche Lagerfläche effizient genutzt wird
Wird Ihr Antrag auf zusätzliche Lagerfläche genehmigt, wird die Reservierungsgebühr später mit Gutschriften der aus der eingelagerten Menge entstandenen Verkäufe verrechnet. Sie erhalten für jeden Euro Umsatz, den Sie mithilfe dieser Zusatzkapazität während des gewünschten Lagerzeitraums erzielen, eine Gutschrift von 0,15 € von Amazon. Amazon berechnet anteilig den Umsatz des genutzten Volumens. Welche Produkte für den Umsatz verantwortlich sind, scheint an dieser Stelle egal zu sein.
Sie gehen also eine Wette ein, wie wichtig Ihnen die zusätzliche reservierte Fläche ist. Wenn Sie die Fläche dann gut einsetzen und die Ware verkaufen, erhalten Sie als Belohnung bis zu 100% der Reservierungsgebühr zurückerstattet. Nutzen Sie die Kapazität nicht effizient genug, wird am Ende die Gebühr höher als die Gutschrift ausfallen und Ihnen berechnet.
Bei der Berechnung der Gutschriften für Verkäuferleistung zählen aber nur die Umsätze, die während des gewählten Zeitraums der Reservierung erzielt wurden.
Der neue FBA-Kapazitätsmanager
Obwohl das Feature erst im März startet, können Sie schon jetzt im sogenannten Kapazitätsmanager einsehen, welche Lagerfläche Ihnen voraussichtlich ab März eingeräumt wird:
Amazon sagt hierzu:
Die Schätzungen können nach oben oder unten variieren, je nachdem, wie effizient Sie die Kapazität nutzen (gemessen an Ihrem Lagerbestandsindex) und wie viel Aufnahmevermögen und Mitarbeiter wir in unseren Logistikzentren zur Abwicklung und Annahme Ihrer Sendungen zur Verfügung haben.
Ist das Amazon Lager also bereits voll oder die Vereinnahmung bei Amazon im Stau, wird dies bedeuten, dass diese Zahl dann auch noch sinken kann.
Anträge zur Erhöhung der Lagerkapazität stellen
Wenn Sie nun zusätzliche Lagerfläche benötigen, können SIe einen entsprechenden Antrag stellen:
Dabei geben Sie an, für welchen Zeitraum Sie welches Gesamtvolumen benötigen. Zusätzlich geben Sie ein Maximalgebot pro Kubikmeter ab, das Sie bereit sind, für die zusätzliche Lagerfläche zu investieren. Sie müssen noch ein Ablaufdatum des Antrags angeben, falls dieser nicht vorher von Amazon freigegeben wird.
Im rechten Bereich sehen Sie eine Übersicht, welche Reservierungsgebühr Sie maximal zahlen müssen.
Der Kapazitätsmanager-Rechner
Woher weiß ich nun, welche Rückerstattung auf meinen zusätzlichen Verkäufen entstehen wird? Dafür hat Amazon einen Excel-Rechner bereitgestellt, den sogenannten Kapazitätsmanager-Rechner. Im Folgenden zeigen wir wie dieser funktioniert:
In Schritt 1 lässt sich angeben, wie viel Lagerfläche bisher genutzt und um wie viel Kapazität diese erweitert werden soll. Sie geben zudem an, mit welchem Gesamtumsatz Sie durch die Lagererweiterung rechnen. Amazon versucht anhand des zusätzlich erwirtschafteten Umsatzes zu errechnen, welche Rückerstattung Sie erhalten werden.
Wir haben in unserem Beispiel 47 Kubikmeter Lagerfläche und wollen diese um 5 Kubikmeter erweitern. Wir rechnen im Zielzeitraum mit 50.000 € Umsatz.
In Schritt 2 berechnet Amazon hieraus eine Erhöhung von 9,6% Lagerfläche und einen anteiligen Umsatz von 4.808 €. Bei einer Erstattung i.H.v. 0,15 € pro Euro Umsatz entspricht die Gutschrift 144,23 €.
In Schritt 3 errechnet Amazon nun ein maximales Gebot für das zusätzliche Lagervolumen, welches bei diesem Umsatz genau der Gutschrift entsprechen würde (Sie zahlen also nichts) und gibt zusätzlich an, wie dies bei 20% Unterdeckung oder 20% Überschreitung ausfallen würde.
Was sich nicht ändert
Es ändert sich nichts an der Berechnung der Kapazitätsgrenzen. Wie schon bei der Auffüllbeschränkung berücksichtigen auch Kapazitätsgrenzen Lagerbestand, der in den Amazon Logistikzentren vorrätig ist sowie erstellte Sendungen, die noch nicht eingebucht wurden.
Wie bisher fallen Überbestandsgebühren an, wenn verfügbarer Lagerbestand in den Amazon Logistikzentren (offene Sendungen ausgenommen) gewährte Kapazitätsgrenzen überschreitet. Die Überbestandsgebühren werden auf Basis des höchsten geschätzten oder bestätigten Grenzwerts berechnet, den Amazon für den jeweiligen Zeitraum angegeben hat. Hier muss also vor Erweiterung des Lagers unbedingt genau kalkuliert werden. Die Überbestandsgebühren betragen 320 € pro Kubikmeter und Monat, also rund 11 € pro Tag!
Was das für Seller bedeutet
Amazon schützt sich einmal mehr vor dem Überlaufen der Lager und übergibt gleichzeitig mehr Verantwortung bei der genauen Planung der Lagerfläche an die Seller. Amazon begründet den Schritt basierend auf Feedback von Sellern und mit einer damit einhergehenden Planungssicherheit und Kontrolle über den eigenen Lagerbestand.
Es ist zu begrüßen, dass Seller eine Option erhalten, zusätzlichen Lagerbestand zu erhalten. Eine Erhöhung der Auffüllmenge war bisher nur über einen eigenen Ansprechpartner auf Amazonseite möglich (den die meisten Seller nicht haben). Was erstmal nach Erleichterung klingt, die Komplexität von zwei auf eine Kennzahl zu reduzieren, bringt aber Probleme mit sich, die in der Komplexität der neuen Funktion stecken.
Keiner kennt den potentiellen Marktpreis pro Kubikmeter
Wie in unserem Beispiel oben zu sehen, errechnet sich die Gutschrift immer anteilig am Gesamtumsatz der Periode. Es ist also zu erwarten, dass Seller immer eine Gutschrift erhalten, solange überhaupt Produkte im Account verkauft werden. Dies führt jedoch zu einem absurden theoretischen Reservierungspreis (in unserem Beispiel i.H.v. 144,23 €, den wir maximal zu diesem Umsatz erreichen könnten). Wer saisonal unabhängigen Umsatz hat, kann hier also hoch pokern und wird wahrscheinlich auf keinen Kosten sitzenbleiben. Drehen wir das Beispiel um (aktuell genutzte Kubikmeter: 5, zukünftig 50 Kubikmeter, mit Umsatzziel von nur 5.000 €) landet das maximale Gebot mit 13,64 € schnell deutlich darunter.
In sich wirkt das System also noch nicht schlüssig und könnte zur High Season (Prime Day, Black Friday und Weihnachten) wieder viele Seller vor die gleichen Probleme voller Lager stellen.
Mit mehr Lagerfläche könnten sich Seller zusätzlich gefährden
Zusätzliche Lagerfläche mag bei einer schlechten Lagerbestands-Performance eine zusätzliche Chance bieten, der Situation zu entfliehen. Jedoch verschärft sich diese dadurch nur noch mehr, da die zusätzliche Fläche noch mehr Druck auf den LBI aufbaut. Fraglich bleibt, wer sich die zusätzlichen Flächen zudem sichern wird. Große Player werden hier versuchen möglichst flexibel zu bleiben. Am Ende führt das dann zur gleichen Beschneidung von kleineren Sellern, die sich hohe Lagerpreise vielleicht nicht leisten können/wollen.
Zudem scheint der Umsatz als Messlatte für Erstattungen die falsche Kennzahl zu sein. So werden hochpreisige und kleine Produkte besonders belohnt und große und günstige Produkte übermäßig benachteiligt. Wünschenswert wäre ein simples System gewesen, welches die bestehenden Daten nutzt, um faire Bedingungen zu schaffen. Vielleicht wird hier aber von Amazon zukünftig noch nachgebessert. Warten wir ab, wie die neue Funktion am Markt angenommen wird. Schon jetzt scheint aber klar: Es sollte gut überlegt sein, wann Seller die Chance für mehr Lagerfläche auch wirklich nutzen. Dazu müssen sich Seller ein genaues Bild über die Abverkäufe und Warenflüsse machen. Das wird nicht zu weniger Arbeit auf der Sellerseite führen.
Mehr Info zum Thema findet sich auf folgenden Amazon-Hilfeseiten: Kapazitätsgrenzen für Versand durch Amazon und dem Kapazitätsmanager. Hier geht's zum neuen Kapazitätsmanager in Seller Central und dem Excel-Rechner für Gutschriften.