Otto vs. Amazon - Wie viel größer Amazon tatsächlich ist
Otto, der größte deutsche Onlineshop, hat am 09.04.2024 die E-Commerce-Umsatzzahlen für das Geschäftsjahr 2023/24 (mit Ende zum 29.02.2024) vorgelegt, nachdem Amazon bereits im Februar seine Quartalszahlen für das Q4 2023 veröffentlicht hatte.
Während die Otto Group, die weitere Onlineshops wie z.B. About You und Bonprix umfasst, jüngst einen Umsatzverlust von rund 9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr verkündet hatte, konnte Otto auf seinem Marktplatz für 2023/24 ein GMV (Gross Merchandise Volume) von rund 6,5 Mrd. Euro erzielen, welches damit zwei Prozentpunkte über dem Vorjahreswert liegt. Das GMV umfasst neben dem eigenen Handels- und Provisionsgeschäft auch das auf der Plattform Otto.de von Partnern generierte Umsatzvolumen.
Auch Amazon ist weiter deutlich gewachsen - sowohl im Marketplace-Bereich als auch im Retail-Bereich. Dies geht aus den jüngsten Quartalszahlen deutlich hervor. Dennoch stellen sich Seller oftmals die Frage, ob sie angesichts steigender Seller-Gebühren - siehe hierzu auch unseren Blogartikel zu diesem Thema - bei Amazon.de überhaupt auf der richtigen Plattform sind, denn schließlich weist auch Otto.de deutschlandweit eine nennenswerte Größe auf. Wir haben die aktuellen Geschäftszahlen der beiden E-Commerce-Unternehmen verglichen und das Geschäftsvolumen auf beiden Marktplätzen zueinander in Relation gesetzt. Das Ergebnis: der Amazon-Markplatz ist nicht nur erheblich größer als Otto.de - das Handelsvolumen auf Amazon.de ist etwa sieben- bis achtmal größer als das auf Otto.de -, sondern Amazon.de wächst auch mehr als sechsmal so schnell wie Otto.de. Anstatt, dass Otto.de zu Amazon.de aufschließt, hat sich der Abstand zwischen den beiden Marktplätzen 2023 weiter vergrößert.
Entwicklung des GMV bei Otto.de und Amazon.de
Der Konzernvorstand der Otto Group hatte aufgrund negativer Zahlen insbesondere das anhaltend zurückhaltende Konsumklima sowohl in Deutschland als auch im Ausland für die sinkenden Online-Umsätze verantwortlich gemacht. Bestätigt wird dieser Trend durch Zahlen des Bundesverbandes E-Commerce und Versandhandel Deutschland, der für das Kalenderjahr 2023 einen Umsatzeinbruch im E-Commerce von 11,8 Prozent verkündet hatte. Ungeachtet dieser Tendenz konnte Otto.de nun nach einem schwachen Jahr 2022/23 wieder leichtes Wachstum verzeichnen, wie in folgender Übersicht zu sehen. Die Daten entstammen den Presseberichten von Otto der letzten Jahre.
Amazon selbst veröffentlicht keinen Zahlen zum eigenen GMV. Das GMV drückt den Gesamtverkaufswert für Waren aus, die über einen bestimmten Marktplatz über einen bestimmten Zeitraum verkauft werden. Um das GMV für Amazon weltweit und in Deutschland annähernd zu ermitteln, haben wir verschiedene Quellen herangezogen und folgende Übersicht erstellt.
Einige der Analysten und Insider haben recht ähnliche Erhebungen vorgelegt, dennoch gehen die Schätzungen, insbesondere für den deutschen Markt, z.T. recht weit auseinander. Weltweit ist das Bild etwas deutlicher, hier liegen die Schätzungen für das GMV 2023 laut Forbes (Februar 2024) zwischen 700 und 750 Mrd. $, Marketplace Pulse (Februar 2024) spricht von 700 Mrd. $ und eCommerceDB (April 2024) von 728,8 Mrd. $.
Für Deutschland wurden im Jahr 2022 Werte zwischen 46,340 Mrd. € (EHI Retail Institute, September 2023), 44,425 Mrd. € (Carpathia AG, Februar 2023) und 56,4 Mrd. € (Schmidt, Holger unter Berufung auf IFH Köln, Juni 2023) genannt. Im Jahr 2023 lag das GMV Schätzungen von eCommerceDB (April 2024) zufolge zwischen 56,3 Mrd. $ (etwa 52,5 Mrd. €) und 61,1 Mrd. $ (etwa 56,9 Mrd. €). Die Unternehmensberatung Carpathia AG (Februar 2024) geht hingegen von einem GMV in Höhe von 46,543 Mrd. € aus.
Mit Blick auf die historische Entwicklung des GMV für Amazon.de liegen von Carpathia AG umfangreiche Daten vor. Die Unternehmensberatung aus der Schweiz führt die Werte auf eigene Erhebungen zurück.
Philipp Glöckler und Philipp Klöckner vom Doppelgänger Podcast haben jüngst eine Stock Earnings-Übersicht für Amazon erstellt, in welcher die Berechnungsgrundlage des GMV eine 25-prozentige Provision von Amazon vorsieht, die Sellern bei Verkäufen auf dem Marktplatz berechnet wird. Ausgehend von den Nettoumsätzen im Marketplace-Bereich, welche Amazon in den Quartalsberichten regelmäßig veröffentlicht, lässt sich hieraus näherungsweise das GMV bestimmen. Bei einer Provision in Höhe von 25 Prozent läge das GMV im Marketplace-Bereich im vierten Quartal 2023 weltweit bei 174,236 Mrd. US-Dollar.
Addiert mit dem von Amazon selbst generierten Handelsvolumen, also den Nettoumsätzen für den Retail-Bereich, beläuft sich das gesamte GMV von Amazon im Q4/23 weltweit auf 244,779 Mrd. US-Dollar.
Wenn wir diese Rechnung auf Deutschland übertragen wollen, müssen die Umsatzsatzzahlen für den deutschen Markt zunächst aufgeschlüsselt werden.
Berechnung des GMV für Amazon in Deutschland
Amazon veröffentlicht neben seinen Quartalszahlen jährlich auch Zahlen zu den internationalen Marktplätzen.
Aus den Quartalsberichten gehen u.a. die jährlichen Nettoumsätze, aufgeschlüsselt nach Geschäftsbereich, hervor. Im Februar hatte Amazon die Zahlen für das vierte Quartal 2023 vorgelegt und konnte deutliche Umsatzgewinne verzeichnen und übertraf sogar die Erwartungen der Analysten. Dies zeichnet sich auch im Vergleich mit dem Vorjahr ab. So verzeichnete Amazon im Jahr 2023 weltweit einen Umsatz von 140 Mrd. US-Dollar allein im Marketplace-Bereich und knapp 232 Mrd. US-Dollar im Retail-Bereich.
Zusätzlich zu den weltweiten Umsatzzahlen veröffentlicht Amazon auch Umsatzzahlen für ausgewählte Marktplätze - so z.B. den Gesamtumsatz, den Amazon im Jahr in Deutschland erwirtschaftet. 2023 erzielte Amazon in Deutschland einen Gesamtumsatz von 37,588 Mrd. US-Dollar, womit der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um 11,88 Prozent gestiegen ist. Im krisenbehafteten Vorjahr 2022 verzeichnete Amazon noch Umsatzeinbußen in Höhe von 9,99 Prozentpunkten.
Da Amazon für die einzelnen Marktplätze keine genauen Auskünfte darüber gibt, wie sich die Zahlen aufschlüsseln lassen - also insbesondere welcher Anteil des Umsatzes auf den Retail-Bereich und welcher Anteil auf den Marketplace-Bereich entfällt -, haben wir einen eigenen Berechnungsschlüssel angesetzt, um diese Werte näherungsweise zu bestimmen.
Dazu haben wir den durchschnittlichen Anteil der weltweiten Umsätze aus dem Retail-Bereich und aus dem Marketplace-Bereich der letzten fünf Jahre ermittelt. Über die Jahre 2019 bis 2023 entfielen im Schnitt 46,38 Prozent des weltweiten Gesamtumsatzes auf den Retail-Bereich und 21,85 Prozent auf den Marketplace. Übertragen auf den Gesamtumsatz in Deutschland ergibt dies folgende anteilige Nettoumsätze, wie in der Tabelle zu sehen.
Für den Retail-Bereich in Deutschland haben wir 2023 einen Wert in Höhe von 17,432 Mrd. $ ermittelt, für den Marketplace einen Wert in Höhe von 8,214 Mrd. $.
Um auf die Berechnung des GMV zurückzukommen, benötigen wir nun zum einen die Nettoumsätze im Marketplace-Bereiche, wobei wir eine 25-prozentige Provision von Amazon annehmen. Damit beliefe sich das GMV im Marketplace-Bereich für Amazon.de im Jahr 2023 auf etwa 32,856 Mrd. US-Dollar. Addiert mit dem Umsatz, der von Amazon selbst generiert wurde, kommen wir auf ein GMV in Höhe von 50,288 Mrd. US-Dollar, welches im Jahr 2023 auf der Plattform Amazon.de umgesetzt wurde. Wenn wir den aktuellen Wechselkurs zugrundelegen, ergibt dies umgerechnet etwa 47,1 Mrd. Euro.
Für das Jahr 2022 ergibt dies bei selber Rechnung 44,490 Mrd. US-Dollar, was umgerechnet etwa 41,65 Mrd. Euro entspricht. Damit wäre das GMV in Deutschland von 2022 zu 2023 um 13 Prozent gewachsen.
Fazit
Für Deutschland liegen die Schätzungen zur Höhe des GMV auf Amazon.de im Jahr 2023 im Schnitt bei 51,981 Mrd. € (siehe dazu unsere Übersichtstabelle). Unsere eigene Berechnung hat ein GMV in Höhe von 47,1 Mrd. Euro ergeben. Auch wenn diese Zahlen allesamt nur näherungsweise zu verstehen sind, zeigen sie doch deutlich die Ausmaße des Handelsvolumens von Amazon in Deutschland. Otto.de, der größte deutsche Onlineshop und drittgrößte Marktplatz in Deutschland nach Amazon.de und eBay, erreicht diese Ausmaße nicht annähernd.
In Relation zu den Zahlen von Otto.de, die im Geschäftsjahr 2023 ein GMV in Höhe von 6,5 Mrd. € (+2% yoy) ausweisen, lässt sich festhalten, dass das GMV von Amazon.de etwa sieben bis achtmal größer ist als das von Otto.de. Auch mit Blick auf die Entwicklung liegt Amazon.de deutlich vorne. Gemäß unserer Berechnungen konnte Amazon.de beim GMV im Jahr 2023 einen Zuwachs von 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahr verzeichnen, während Otto.de hier nur auf 2 Prozent kommt. Damit hat sich der Abstand zwischen den beiden Marktplätzen weiter vergrößert, denn Amazon.de ist zwischen 2022 und 2023 mehr als sechsmal schneller gewachsen als Otto.de. Deshalb konzentrieren wir uns bei REVOIC weiterhin mit vollem Fokus auf den Wachstumsmarkt Amazon.